Sich zu viele gedanken machen

Wenn sie uns nicht in Ruhe lassen

Sich Gedanken machen bedeutet für viele Menschen, sich Sorgen zu machen. Sie hoffen, ihr Leben zu verbessern. Leider gelingt es nur selten und die Sorgenfalten werden immer länger.

Sich zu viele Gedanken machen führt zu Gedankenkarussells

Viele Menschen leiden unter einem ständigen Gedankenfluss, in dem sie sich stressvolle Gedanken machen. Die Gedanken drehen sich um Angst vor der Zukunft; Angst vor einer Trennung vom Partner oder vor Vereinsamung. Angst, nicht die richtige Entscheidung zu treffen.

Sie trauern vertanen Chancen nach, klagen über Perspektivlosigkeit ihres Lebens oder streiten mit anderen Menschen – aber nur in Gedanken.

Es ist das Gedankenkarussell, das uns immer wieder heimsucht und vor dem nur wenige Menschen frei sind.

Denken und Sorgenfalten

Wir glauben, allein durch „vernünftiges“ Denken könnten wir Tatsachen und Fakten realistisch bewerten und etwas verändern. Doch wenn man bedenkt, dass von den 66.000 Gedanken täglich rund 98 % nur alte und sich wiederholende Gedanken sind, so können wir eigentlich nicht erwarten, dass wir durch Denken etwas verändern können.

Das ist ernüchternd – bei realistischer Betrachtung.

Betrachten wir einmal die Art und Weise unserer Gedanken, können wir sehen, dass sie in erster Linie ein Erklären und Rechtfertigen unserer Handlungen sind – entweder im Nachhinein oder bereits im Vorfeld. Unablässig geistert durch unseren Kopf die Frage nach dem Warum.

Das fragt uns der Partner, der Vorgesetzte. Das fragen wir uns selbst: „Warum machst du das so?“

Wir gehen in uns, erklären und rechtfertigen unsere Handlung, oder wenn wir Zeit haben, ziehen wir uns zurück und sagen, darüber werde ich mir mal Gedanken machen.

Im stillen Kämmerlein denkst es sich besser, denken wir. Und wenn wir dann noch streng und ernst schauen, geht’s noch besser. Was für ein Klischee: Ständig gut gelaunte, fröhliche Menschen denken nicht wirklich nach. Und wer nachdenkt, sieht die Realität, wie sie wirklich ist, und über die muss mach sich Sorgen machen. Sprich: Die Stirn runzeln und Sorgenfalten auflegen.

Auf die Spitze getrieben: Ständig gut gelaunte Menschen handeln unverantwortlich, weil sie sich weigern, sich Sorgen zu machen.

Zum Glück gedankenlos

Wer sich Gedanken macht über etwas macht, ist ein ernster Menschen. Wer sich zu viele Gedanken über etwas macht, kann daran auch zugrunde gehen – vielleicht nicht physisch, aber seelisch, denn in der Regel verbinden wir mit Gedankenmachen eher negative Gedanken.

Glück und Gedanken? Der Anfangsbuchstabe ist die einzige Gemeinsamkeit.

Positive Gedanken sind schnell abgehakt. Erbauungsgedanken in Aufstellkalendern und Dankessprüche – in den meisten Fällen sind positive Gedanken Oneliner, die sich wunderbar für Affirmationen oder als Dankesgebete eignen.

Glück hat wenig mit Gedanken zu tun.

Ihnen aber folgt kein Gedankenstrom, der die Stimmung hebt und hebt. Was den Alltag betrifft. In spirituellen Messen aber wird das durchaus gesucht.

Natürlich kommt unser Glück nicht ohne bestimmte Überzeugungen über unser Leben aus. Aber Glück wird in unseren Vorstellungen weniger mit Gedanken in Verbindung gebracht als Stress und alltägliches Unglück.

Was genau sind negative Gedanken?

Zunächst einmal sind Gedanken weder negativ noch positiv. Sie sind neutral. Wenn ich einen Gedanken als negativ erlebe, dann heißt das noch lange nicht, dass andere Menschen diesen einen Gedanken auch negativ erleben.

Beispielsweise könnte bei einem Paar die Abendgestaltung Fernsehen bedeuten. Beide denken: „Heute Abend wieder Fernsehen.“ Während der eine Partner sich auf die Entspannung beim Fernsehen freut, ist der andere schon vorab enttäuscht, weil er lieber etwas unternehmen würde.

Der Gedanke „Heute abend wieder Fernsehen!“ ist zunächst einmal neutral und wird dann negativ oder positiv –  je nachdem, was der Denkende mit dem Gedanken verbindet.

Es ist wie mit einem Auto. Das Auto als Fahrzeug ist neutral. Erst durch die Bewertung der Menschen wird es positiv oder negativ gesehen.

Sich zu viele Gedanken machen

Sich „Gedanken machen“ klingt, als hätten wir es im Griff, ein bestimmtes Thema kontrolliert überdenken zu können. Gehen wir dabei gezielt methodisch vor? Stellen wir uns dabei bestimmte Fragen? Oder lassen wir den Gedanken nur freien Lauf. Das wäre dann eher ein „Es-sich-durch-den-Kopf-gehen-lassen“.

In diesem Falle überlassen wir es unserem Unterbewusstsein, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wann und wo es will. Wir bemerken es noch nicht einmal, wann wir uns Gedanken machen.

Wenn man bedenkt, dass wir uns täglich 66.000 Gedanken machen, stellt sich die Frage, ab wann wir uns zu viele Gedanken machen. Natürlich ist es keine Frage der Menge, sondern gemeint sind negative Gedanken. Also Gedanken, die uns aufs Gemüt schlagen. Die uns handlungsunfähig machen. Die uns nicht einschlafen lassen. Die jede Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und die uns um unser Leben betrügen.

Tatsachen und Interpretation

Wer nachdenkt, glaubt über eine Welt nachzudenken, die er mit anderen teilt. Doch sind die Gemeinsamkeiten und Schnittpunkte mit anderen Menschen sehr viel weniger, als wir uns das vorstellen.

Unsere Realität setzt sich aus ein paar wahrgenommenen Tatsachen und vielen Gedanken zusammen. Dabei sind die Tatsachen nur das, was tatsächlich passiert und was alle Menschen auf der Welt das genauso sehen.

In der Regel sind es die einfachen Tätigkeiten, bei denen wir uns einig sind. Ein Mann steht vor einem Haus. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl. Das Kind schläft. Es regnet. Der Vater spricht. Die Mutter hört dem Kind zu.

Beim letzten Beispiel hört übrigens der Konsens schon auf. Denn die Mimik der Mutter, ihre Gestik, ihr ganzes Verhalten kann von jedem anders interpretiert werden. Angenommen, sie schaut während des Zuhörens immer wieder umher und wendet sich vom sprechenden Kind ab, kann der ein oder andere Beobachter ihr Verhalten so verstehen, dass sie nicht zuhört.

„Die Mutter hört dem Kind zu“ ist also schon mehr als nur Tatsache. Das macht deutlich, wie schnell wir interpretieren und lässt auch erahnen, wie wir unsere Realität erdenken.

Gedanken sind Wort- und Satz-gewordene Erfahrungen.

Was auch immer wir erleben und eine gewisse Bedeutung für uns hat, verankern wir als Erfahrung in unserem Körper. Und dabei unterscheide ich nicht zwischen Geist und Körper oder zwischen Verstand und Körper. Das Gehirn ist ein Teil des Körpers.

Und psychosomatische Störungen zeigen deutlich, wie eng körperliche und geistige Vorgänge miteinander verwoben sind.

Gedanken sind das Output des Gehirns. So wie Bewegung das Ergebnis des Muskelapparaates ist, so sind Gedanken das Output des Gehirns. Doch weder das eine noch das andere könnte ohne das andere Organ sinnvoll funktionieren.

Das Gehirn bzw. der neuronale Apparat ist ein Organ, das nur Lebewesen haben, die sich fortbewegen können, also Tiere. Es dient der Planung und Koordination von Bewegung.

Doch geht es nicht darum, irgendetwas in ferner Zukunft zu planen oder zu koordinieren, sondern nur die Bewegungen des nächsten Augenblicks. Allein das Werfen eines Balls in einen Korb während eines Basketballspiels ist eine Höchstleistung unmittelbarer Koordination.

Dass unser Verstand manchmal schon Wochen oder Monate im Voraus plant und anfängt, die vermuteten Lebensumstände zu koordinieren und hinzubeigen, ist eine Besonderheit des homo sapiens, die ihn nicht immer glücklich machen. Das geht an der ursprünglichen Idee der Natur weit vorbei.

Bedürfnisse und Überzeugungen

Warum machen wir uns zu viele Gedanken? Eine Frage, die sich wie viele Fragen nach dem Warum gar nicht beantworten lassen. „Wozu“ hilft eher weiter. Oder „worüber“.

Bei der Frage nach dem Worüber kommen wir dem Kern unserer Gedanken ein Stückchen näher. Denn natürlich machen wir uns nicht über alles Gedanken, worüber man sich Gedanken machen könnte. Sondern wir machen uns Gedanken über die Themen, die uns beschäftigen. Sie beschäftigen uns, weil sie für unser Leben ein gewisse Rolle spielen. Weil wir bestimmte Werte und Bedürfnisse haben.

Welche Themen für uns eine Rolle spielen, bestimmen unsere Überzeugungen und Glaubenssätze über die Welt, über unsere Mitmenschen oder über unsere Beziehungen („Man muss sich gegenseitig unterstützen“ – „Man muss sich aufeinander verlassen können – „In einer Beziehung steht Ehrlichkeit ganz oben!“).

Paasieren Dinge, die nicht im Einklang mit unseren Überzeugungen sind, dreht der Verstand am Rad: „Warum ist das jetzt passiert? – „Wie hätte ich das verhindern können?“ oder, vorausschauend: „Wie kann ich verhindern, dass mein Partner wieder diese Frau trifft!“

Bei der Frage nach dem Worüber denken wir über unser Denken nach. Das ist der erste Schritt, um weniger zu denken. Denn dann können wir uns die Frage stellen: Ist das wirklich notwendig, darüber so viel nachzudenken?

Das Leben besser machen

Wenn der Kopf dröhnt und die Gedanken rasen, glauben wir, unter den vielen Gedanken zu ersticken. Die Situationen – so scheint es – fordern uns, über sie nachzudenken. Wenn es nach uns ginge, könnte das Leben anders laufen und uns in Ruhe lassen. Keiner von uns hat um Probleme gebeten.

Unser Geist ist – wie oben schon erwähnt – vor allem eine Erklärungs- und Rechtfertigungsmaschinerie. Wohin auch immer er blickt: er findet für alles und jedes eine Erklärung. Warum etwas passiert ist oder warum etwas passieren wird.

Beobachte einmal in Gesprächen, wie oft deine Gesprächspartner ihre Sätze mit „Weil …“ oder „Darum“ oder „um zu“ oder „deshalb“ bilden. Alles Sätze, die bestimmte Sachverhalte erklären.

Es sind Erklärungen, warum etwas passiert ist, oder Erklärungen, warum etwas passieren wird.

Leider passieren die Dinge selten so, wie wir es gewollt haben oder wollen werden. Also wird gegengesteuert. Und gegensteuern kann man nur, wenn man die Zusammenhänge kennt. Wenn man weiß, welche Wirkung welche Ursache hat. Wir machen uns Gedanken, um uns in unserem Leben wohler zu fühlen.

Gedanken machen bedeutet in den meisten Fällen auch, Ursache und Folgen zu bedenken, auszurechnen und dann im Sinne des Denkers zu kontrollieren. Und dann die passenden Entscheidungen zu treffen.

Schwierige Entscheidungen

Das Problem mit Entscheidungen ist es, dass wir unsere Entscheidungen immer aus einer bestimmten Situation heraus treffen können. Wenn also bestimmte Sachverhalte vorliegen, die wir abwägen und aus diesem Abwägen heraus die Entscheidung treffen.

Auch wenn wir in der Lage sind, uns in eine zukünftige Situation hineinzudenken, treffen wir die Entscheidungen immer mit dem „Gefühl“ für die momentane Situation.

Was dabei der Kopf vergisst: Mit und nach einer Entscheidung werden Fakten geschaffen, die die Sachlage verändern. Wie es eben kraft der Entscheidung passieren soll. Theoretisch könnte der Geist nun zufrieden sein.

Doch statt dessen beginnt er wieder zu arbeiten, weil durch die Entscheidung neue Fakten geschaffen werden, die den Kopf veranlassen, sich erneut Gedanken zu machen.

Sehr schön lässt sich dieses Phänomen bei On-Off-Beziehungen beobachten.

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